Vielen Dank, ercebe, du sprichst wichtige Aspekte an!
Die Frage "Ist Origami Kunst?" würde ich pauschal ebenfalls verneinen. Genauso wenig, wie "Malen" oder "Zeichnen" per se Kunst ist. Das Problem jedoch, vor dem man m.M.n. als ambitionierter Falter steht, ist die Assoziation, die "Falten" aktuell beim Nicht-Fachpublikum weckt: Wenn ich jemandem erzähle, ich male in meiner Freizeit, wird sofort die Brücke zur bildenden Kunst geschlagen und kaum jemand schlussfolgert, ich würde z.B. hobbymäßig Wände anstreichen. Beschreibe ich meine Beschäftigung jedoch als "Falten", wird viel zu oft an bedeutungslose Kindergartenbastelei gedacht. Hier ist konkrete Öffentlichkeitsarbeit nötig!
(Dies vorneweg, um meine Motivation noch einmal zu vergegenwärtigen)
Du verortest nun Origami beim Kunsthandwerk:
KunstHANDWERK sind für mich Goldschmiede, Teppichknüpfer, Glasbläser etc. - also Tätigkeiten, bei denen letztlich Funktionsgegenstände unter künstlerischen Gesichtspunkten hergestellt werden. Soll heißen: Auch, wenn die Funktion ggf. immer weiter in den Hintergrund tritt: Ein Teppich z.B. bleibt an Ende doch immer ein Teppich und kann im Zweifelsfall als solcher benutzt werden - auch wenn dies vermutlich niemand bei einem teuren, handgeknüpften Wandteppich auch nur ansatzweise in Betracht ziehen würde.
Als Beispiele führst du Holzschnitzereien und eines der berühmt-berüchtigten Symbole des gelsenkirchener Barock an: DIESEN wiederum würde ich sogar den Kunsthandwerk-Status absprechen; hier handelt es sich aus meiner Sicht eindeutig um funktionslosen (bzw. sinnfreien) Kitsch.
Kunst hat zwar ebenfalls keine praktische Funktion, (mal abgesehen von evtl. dekorativer Funktion - aber nach DIESEM Maßstab würde es dann wie gesagt quasi GAR KEINE Kunst geben, sondern nur hübsche und hässliche Deko...

) aber Kunst steht "für sich selbst", Kunst vermittelt etwas.
Deiner Formulierung
Ich kenne kein Kunstwerk, dass nicht in irgendeiner Form eine Aussage, eine Erkenntnis, eine Kritik an der Welt enthält, allgemein gesprochen.
stimme ich daher voll und ganz zu.
Kunsthandel ist wiederum eine Angelegenheit für sich, auch hier stimme ich dir zu. Trotzdem kann der Kunstmarkt evtl. als Möglichkeit dienen, die "Wertschätzung" für bestimmte Kunstformen herauszufinden. Daher entsprechend mein Ansatz: Faltarbeiten am Kunstmarkt anbieten um herauszufinden, ob und wie diese angenommen werden.
Allgemein stelle ich außerdem noch einmal folgenden Kriterienkatalog zur Diskussion, an dem ich mich aktuell etwas orientiere:
Subjektive Kunstkriterien (in absteigender Relevanz):
- Kommunikation: Spricht mich das Werk an? Kann ich in dem Werk eine Botschaft erkennen? (z.B. subjektive Wahrnehmungen/Empfindungen des Künstlers bzgl. seiner Umwelt; Kritik des Künstlers an persönlichen oder allgemeinen Missständen; allgemein Hinweise auf bestimmte Sachverhalte, die der Künstler dem Betrachter mitteilen möchte; etc.)
- Individualität: Stellt das Werk eine erkennbar individuelle, in ihrer Form nicht ohne Weiteres (d.h. nicht ohne besonderes Geschick im Umgang mit den zur Schaffung notwendigen Werkzeugen bzw. Materialien) reproduzierbare Leistung dar? Hier spielt der im vorherigen Beitrag bereits genannte Aspekt, "sein Fach zu meistern" eine zentrale Rolle.
- Ästhetik: "Gefällt" mir das Werk? Empfinde ich das Werk - ggf. auch frei von irgendwelchen sachlichen bzw. objektiven Überlegungen - als "schön"? Sicherlich das schwächste der drei Kriterien, aber dennoch immer wieder von Bedeutung; vor allem, wenn es um Kunstkauf und -verkauf geht.
Objektive Kunstkriterien (Achtung, konsekutive Abhängigkeit!):
- Eine Person fertigt ein Werk an in der Absicht, ein Kunstwerk zu erschaffen.
(Notwendig, um an dieser Stelle eine Unterscheidung zu Kunsthandwerk und Deko-Objekten/"Kitsch" zu haben)
- Eine ANDERE Person nimmt dieses von 1. geschaffene Werk und präsentiert es öffentlich als Kunstwerk. (Stellt es z.B. in ihrer Galerie/Sammlung/etc. aus, gibt ihm allgemein ein öffentliches Forum)
- (Mindestens) Eine WEITERE, von 1. und 2. VERSCHIEDENE Person betrachtet das öffentlich präsentierte Werk bewusst als Kunstwerk. (D.h. nicht alles, was z.B. in einer Galerie ausgestellt wird, muss auch zwangsläufig Kunst sein...
)
Ein paar Worte erläuternde Worte dazu:
Ich habe es mittlerweile wie bereits angekündigt tatsächlich geschafft, einen Platz in einer kleinen Galerie zu finden. (klein, was die Besucherdichte im Einzugsgebiet angeht (im Vergleich zu Berlin/Hamburg/München) - die Räumlichkeiten selber sind überraschend groß

) Von den Mitausstellern präsentieren hier einige Werke, die ich nach obigen Kriterien voll und ganz als Kunst akzeptiere. Andere gefallen mir zwar persönlich nicht besonders, ich kann aber immer noch den "Kunst-Charakter" erkennen. Und dann gibt es noch Werke, bei denen ich mir denke: "Was soll das?!" Weder spricht mich das Werk in irgendeiner Form an, noch stellt es aus meiner Sicht eine besondere individuelle Leistung dar oder gefällt mir wenigstens persönlich. Für mich sind dies Machwerke, keine Kunstwerke.
Trotzdem werden diese Künstler allesamt vom Kunst"betrieb" (oder auch etwas gehässiger: vom Kunst"zirkus"

) bzw. den darin agierenden Personen (Künstlerkollegen, Galeristen, Sammler, (selbsternannte) Kunst"experten", etc.) mehr oder weniger bedingungslos anerkannt. Ein schritt in DIESE Richtung könnte uns evtl. auch nützen: Einfach Papierfalten als ernsthafte Kunst präsentieren, frei von Beschränkungen oder gar Ängsten, es könnte keine "echte" Kunst sein.
Höchstwahrscheinlich wird (wenigstens in absehbarer Zeit) keiner von uns jemals ein Immendorff oder Richter des Papierfaltens werden - aber irgendwo sollten wir doch zumindest anfangen. Deswegen jetzt auch mal ganz dreist und provokant:
Bringen wir unsere Faltungen in die Galerien und Ausstellungsräume!
Wenn andere Künstler den Mut bzw. die Überzeugung besitzen, z.B. Figuren, die bestenfalls wie Grundschulbasteleien aussehen, für mehrere hundert Euro anzubieten, können wir das auch bzw. sogar besser! Und wenn wir uns dazu noch auch nur ETWAS Mühe geben, können wir Papierfalten vllt. in die Nähe der "klassischen", "ordentlichen" Kunstformen wie Malerei, Bildhauerei, Fotografie, etc. bringen.
@Christian:
Tanz ist schon lange als darstellende Kunst etabliert und (vergängliche) Kreidebilder sind wahrscheinlich eine der frühesten und ursprünglichsten bildenden Kunstformen (oder sogar DIE früheste, siehe prähistorische Höhlenmalereien). Die beiden müssen sich ihren Platz in der Kunstwelt nicht mehr erkämpfen - wir schon...
Zu den Definitionen: Duden hat sich für mich leider als ernstzunehmende Referenz disqualifiziert, als sie sich entschieden haben, den Plural von LKW mit LKW
s (mehrere Lastkraftwagen
s?!) zu erlauben.

Und Wikipedia: "Das Gegenteil von 'gut' ist 'gut gemeint'..."